An meinen Engel
Wie deutlich hab ich dich als Kind gespürt!
War mir vor Angst die Kehle zugeschnürt,
hast du gesungen
mit Engelszungen
und mich ganz sicher an der Hand geführt.
Du warst der Anruf und der Liebesbrief.
Du warst die Rettungsleine aus dem Tief.
In vielen Schichten
von Traumgesichten
warst du die Freundesstimme, die mich rief.
Du bist der Satz, der wieder Mut einflößt.
Du bist der Arm, der mich nicht von sich stößt,
bist Wahrheitsstreiter
und Wegbegleiter,
du bist das Messer, das die Fesseln löst.
Als Zweifel hockst du mir oft im Genick,
hängst dann als Hoffnungsstern in meinem Blick.
In der Routine,
Alltagsmaschine
spielst du ganz gern das kleine Missgeschick.
Du warst der stille Träger meiner Last,
der kühle Schatten und der späte Gast.
Im Buch die Zeilen,
die Wunden heilen,
ich ahne, dass du sie geschrieben hast.
Mal warst du Fallstrick und mal Wanderstab,
das Wunder, das ich nicht erwartet hab.
Leg ich die Glieder
zum Sterben nieder
wirst du die Leiter sein aus meinem Grab.
Gerhard Schöne