Ermutigung zum Patenamt
Sie haben Ja gesagt zu einem Amt in schwieriger Zeit. Schwierig, weil religiöse
Riten und Rhythmen uns mehr und mehr abhanden kommen. Die Inhalte des
biblischen Glaubens scheinen wie versperrt oder nicht mehr gefragt. Als verläßlich gilt
allein das Sichtbare; das Unsichtbare ist ferngerückt, vom Fernsehen unerreichbar.
In diese Welt ist Ihr Patenkind hineingeboren. Und Sie, mit diesem Patenamt
“bekleidet” wie mit einem neuen Gewand, stehen mittendrin. Was werden Sie
später Ihrem Patenkind erzählen, was ihm vorleben können?
Pfarrer Dietrich Bonhoeffer war wegen seiner Verhaftung durch die Nazis daran
gehindert, das Kind seines Freundes zu taufen. Und so schrieb er, zugleich Pate,
dem Täufling aus dem Gefängnis einen Patenbrief:
“Du wirst heute zum Christen getauft. Alle die alten großen Worte der christlichen
Verkündigung werden über Dir ausgesprochen und der Taufbefehl Jesu Christi
wird an Dir vollzogen, ohne daß Du etwas davon begreifst. Aber auch wir selbst
sind wieder ganz auf die Anfänge des Verstehens zurückgeworfen. Was Versöhnung
und Erlösung, was Wiedergeburt und Heiliger Geist, was Feindesliebe, Kreuz und
Auferstehung, was Leben in Christus und Nachfolge Christi heißt, das alles ist so
schwer und so fern, daß wir es kaum mehr wagen, davon zu sprechen.”
Könnten solche Worte auch von Ihnen geschrieben sein – heute nach sechs Jahrzehnten
des Briefes dieses Märtyrers, dessen Worte seinen gewaltsamen frühen
Tod überlebten? Wenn die alten Worte des Glaubens zu groß, zu schwer und zu
fern sind, dann wird es unsere Aufgabe sein, die alten Worte neu zu sagen: sie in
unsere Gegenwart zu locken und sie in die Sprache eines Glaubens zu hüllen, der
sich nicht verhebt. Beim Versuch, dem persönlichen Glauben eine Sprache zu
geben, möge Ihnen das folgende Glaubensgebet helfen:
Ich setze auf dich, mein Gott, den Schöpfer dieser Welt:
Du hast mein Patenkind geschaffen – wie uns alle,
du verleihst jedem Menschenleben von der Geburt bis zum Tod seinen Sinn.
Ich setze auf dich, mein Gott,
den Vater des Jesus von Nazareth aus dem jüdischen Volk,
der – geboren zum Menschen – als wahrer Mensch gelebt hat:
Wie er betete und erzählte, wie er stritt und wie er heilte, wie er schwieg
und wie er starb – daran wird erkennbar, wie nahe er dir kam.
Er verbindet bis heute sein Volk mit uns Christen.
Ich vertraue darauf, daß dein Geist, o Gott, weiterwirken will in uns Menschen,
also auch in Kindern, Eltern und Paten: In unserem Lachen und Weinen,
im Fragen und Zweifeln, im Lauschen auf dein Reden und auf dein Schweigen.
Ich möchte glauben, daß wir aus deiner Liebe niemals fallen können. Amen
Wolfgang Gerlach